Matthäus 5.39
«Ich aber sage euch: Leistet dem, der euch etwas Böses antut, keinen Widerstand, sondern wenn dich jemand auf die rechte Wange schlägt, dann halte ihm auch die andere hin.»
Es gibt Sätze von Jesus, die uns herausfordern, vielleicht sogar irritieren. Dieser gehört ganz sicher dazu: «Halte auch die andere Wange hin.» Wer will das schon? Wer tut das? Und was meint Jesus damit überhaupt? In einer Welt, in der wir gelernt haben, uns zu verteidigen, zurückzuschlagen oder zumindest Kontra zu geben, klingt diese Aussage wie ein Aufruf zur Schwäche. Aber ist sie das wirklich?
Der Schlag auf die rechte Wange – mehr als nur Gewalt
Jesus spricht hier nicht in erster Linie von brutaler Gewalt, sondern von einer gezielten Demütigung.
In der damaligen Kultur war der Schlag auf die rechte Wange durch einen Rückhand-hieb eine schwere Beleidigung – eine öffentliche Herabwürdigung. Es ging um Ehrverlust, nicht nur um Schmerz. Die natürliche Reaktion wäre: zurückschlagen, kontern, sich wehren. Doch Jesus durchbricht genau dieses Muster. Er fordert uns heraus, nicht auf derselben Ebene zu antworten, sondern aus einer ganz anderen Quelle zu leben.
Die Quelle: Unsere Identität als Kinder Gottes
Jesus spricht hier nicht einfach über gutes Benehmen oder moralische Überlegenheit. Es geht ihm um etwas Tieferes: unsere Identität. Nur wer weiss, wer er ist, kann in verletzenden Situationen ruhig bleiben. Nur wer tief verwurzelt ist in der Liebe und Annahme des Vaters, muss seinen Wert nicht ständig verteidigen.
Jesus selbst lebte das. Er wurde verspottet, geschlagen, verhöhnt – und doch blieb er innerlich frei. Warum? Weil er wusste: «Ich bin der geliebte Sohn des Vaters.» Er musste nichts beweisen. Er musste sich nicht rechtfertigen. Seine Identität gab ihm die Kraft zur Sanftmut.
Was bedeutet es, die andere Wange hinzuhalten?
Es bedeutet nicht, sich missbrauchen zu lassen oder alles kommentarlos zu ertragen. Es bedeutet:
Ich reagiere nicht aus dem verletzten Ego, sondern aus einem sicheren Herzen.
Ich lasse mich nicht auf das Spiel der Vergeltung ein, weil ich frei bin.
Ich bin kein Opfer, sondern ein Überwinder – nicht durch Macht, sondern durch Identität.
Anwendung für unseren Alltag
Wie oft geraten wir in Konflikte, weil wir uns angegriffen fühlen? Ein Wort, ein Blick, eine spitze Bemerkung – und sofort sind wir im Verteidigungsmodus. Aber was wäre, wenn wir stattdessen kurz innehalten und uns daran erinnern:
«Ich bin ein Kind Gottes. Mein Wert steht fest. Ich muss nichts beweisen.»
Die andere Wange hinhalten bedeutet dann:
- Ich muss nicht zurückstechen, weil ich frei bin.
- Ich muss nicht gewinnen, weil ich bereits angenommen bin.
- Ich darf Frieden bringen, weil der Friede Gottes in mir lebt.
Jesu Worte sind keine moralischen Höchstleistungen, die wir aus eigener Kraft schaffen sollen.
Sie sind eine Einladung, tiefer zu leben – verwurzelt in unserer Identität als geliebte Kinder Gottes.
«Die andere Wange hinhalten kann nur, wer seine Identität nicht vom Gegner, sondern vom Vater im Himmel bestimmen lässt.»
Gebet
Vater im Himmel, du nennst uns deine Kinder.
Hilf uns, aus dieser Identität zu leben – nicht aus Angst, nicht aus Stolz, sondern aus deiner Liebe.
Schenke uns Mut, in verletzenden Momenten nicht zurückzuschlagen,
sondern Frieden zu stiften – nicht aus Schwäche, sondern aus der Stärke deiner Annahme.
Amen.

Neueste Kommentare